August Beckers Chronik vom Mittwoch, den 19. 12. 2012
Der Autor könnte behaupten, er hätte irgendwo ergoogelt, dass diese legendäre Textzeile von Neil Young an einem 19. Dezember entstanden sei. Scheiß drauf. Der Autor hat es satt, seine Gedanken davon abhängig zu machen, was zu jedem Datum auf Wikipedia zu lesen steht. Wen’s interessiert, der soll’s doch selber googeln. Und wer einen witzigen Einfall dazu hat, kann diesen ja dem Autor mailen.
Diese Zeilen sind unter Drogeneinfluss entstanden. Genau genommen Whisky, den der Autor zu sich genommen hat, weil seine Heizung seit zwei Tagen ausgefallen ist. Er hatte vergessen, wie sehr guter Whisky auch den Geist aufzuwärmen vermag. Und plötzlich wurde ihm klar: was er da vorgestern in einem Studentenlokal erlebt hat, war genauso absurd wie sein eigenes, in den letzten Jahren immer mutloser geführtes Leben.
Da veranstalteten doch tatsächlich ein paar Typen eine Dichterlesung unter dem Titel „Rettet die Anfänge“. Der Autor dachte zunächst, es handle sich um eine Parodie auf „Wehret den Anfängen“. Aber dann lasen diese Literatoiden irgendwelche Fragmente, Texte, die sie einmal begonnen, aber mangels Inspiration nicht fertig gestellt hatten, und ließen das Volk darüber abstimmen, welcher davon nun binnen eines Monats zu vollenden sei, und ein derart hausgeübungter Text gelte dann als gerettet. Wovor gerettet? Wofür gerettet? Das konnten sie nicht sagen.
Das erinnerte den Autor an die Medizin, seine ganz persönliche hassgeliebte Lebensbegleiterin (wer mehr darüber wissen möchte, studiere die ABC vom letzten Sonntag). Auch sie rettet andauernd, ohne zu wissen, wovor und wofür. Sie hat dem Autor vor einigen Jahren zu hohe Leberwerte angelastet und ihn dadurch quasi verflucht, eines Tages an Leberzirrhose zu sterben. Und der Autor, durch eine Verletzung geschwächt, hat sofort um sein Leben gewinselt, bitte, bitte, nur das nicht, ich entsage fortan dem Whisky!
Er hat sich leider nicht gefragt, wie sein auf diese Weise gerettetes Leben aussehen würde ohne diesen Whisky, und seit gestern weiß er: beschissen, so beschissen, dass selbst seine Frau ihm vorgeworfen hat, der alte August sei ihm abhanden gekommen und ihr natürlich auch. Aber nun ist klar: der alte August war nur auf Urlaub, er saß als Geist in einer Flasche Justerini und Brooks, und mit jedem Glas J&B on the rocks kehrt dieser Geist wieder in den Körper zurück, für den er und der für ihn geschaffen wurde.
August Becker ist unheilbar und unrettbar, merk dir das, Frau Medizin. Und jetzt, wo er sich zu nichts mehr verpflichtet fühlt, jetzt schaut er wie zum Hohn hinein in die Annalen des 19. Dezembers. Sind wohl Süchtige darunter? Menschen, die lieber ausbrannten als dahinsiechten? Aber natürlich! Gustav Adolf II, Edith Piaf, Professor Longhair, Alvin Lee, Limahl, Ben Becker, Alberto Tomba, um nur die zu nennen, von denen es der Autor sicher weiß. Vielleicht zählt auch eines Tages Til Schweiger dazu, wenn er anfängt, sich jungoperieren zu lassen. Laden wir sie doch alle ein auf einen Easy Ride bis tief in das Revier der Rednecks, während Otto Hahn sich im Hintergrund gerade fragt, wie in das Uran wohl das Barium hineingekommen sein mag, das vor der Bestrahlung sicher nicht drinnen war. Er wird später diesen Vorgang „Kernspaltung“ nennen und damit in die Geschichte eingehen. Soll er sich dafür entschuldigen, nur weil andere damit Mist gebaut haben? No, je ne regrette rien.