August Beckers Chronik vom Sonntag, den 23. 12. 2012
Blick in die Nachrichten: nichts, was hängenbleibt. Blick ins Wikipedia: eine Menge Namen von Mitbürgern, die an einem 23.12. geboren oder verstorben sind, aber hymnentragende Töchtersöhne sind keine darunter.
Natürlich sind da Noch-Berühmtheiten wie Königin Silvia, Helmut Schmidt (ein deutscher Altkanzler) oder Kaiser Akihito. Aber das Außergewöhnliche, den Lauf der Welt Verändernde scheint einen großen Bogen zu machen um diesen 23. Dezember. Sind ja auch echte Pechvögel, diese Fast-Jesusse! Von Anfang hören sie, dass sie den Datums-Jackpot verfehlt haben, ganz knapp zwar nur, aber doch verfehlt. So etwas gräbt sich ein in die Hirnwindungen, sagt einem vielleicht, ja, du könntest das große Ding hier schaukeln, aber womöglich scheiterst du auch genauso knapp wie mit deinem Geburtstag, der zwangsweise untergehen muss im Vorweihnachtstrubel oder gar aus praktischen Gründen nach hinten verlegt wird, was seiner Abschaffung gleichkommt.
Wer aber keinen richtigen Geburtstag hat, ist quasi heimatlos, weil ihm jener Tag fehlt, an dem es legitim ist, dass sich alles nur um ihn dreht. Er bekommt nie einen Vorgeschmack auf Heldentum und Ruhm. Dieses „Ach ja, nicht zu vergessen, alles Gute zu deinem gestrigen Geburtstag“ löscht den Glauben an die eigene Bedeutsamkeit, macht einen zufrieden mit 15 Minuten Ruhm und anfällig für Idole, die sich ihrer Bedeutsamkeit wohl bewusst sind.
Kein Tag für Helden also, aber scheinbar ein Tag für Hinrichtungen, von denen sich einige in den Annalen finden. Eine möchte ich hier herausgreifen: die des Ketzers Johannes Sylvanus, dessen Enthauptung seine Kinder beiwohnen mussten. Was denkt sich jemand, der vor dem {großen Fest des Kindes aller Kinder} Kinder bei der Ermordung ihres Vaters zusehen lässt? Hoffentlich nichts, weil alles andere noch viel schlimmer wäre.
Dieser Johannes Sylvanus (der wahrscheinlich nur Waldner hieß) hatte sich angemaßt, an der Dreifaltigkeitslehre der Kirche zu zweifeln. Weil sie heidnischen Ursprunges sei, weil sogar namhafte Theologen sagten, für ein Dogma reichten die vagen biblischen Hinweise nicht aus. Sylvanus lehrte etwas leicht Verständliches: es gibt einen unnahbaren, unbegreiflichen Gott Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, und seinen nahbaren, begreiflichen Sohn als Mittler zu den Menschen. Marketing-Strategen würden heute zu Sylvanus sagen: super, du holst unsere künftigen Kunden genau dort ab, wo sie stehen. Du bist unser Mann.
Nicht so die Kirche. Sie, deren Auftrag es ist, jahraus, jahrein die Frohbotschaft zu verkünden, hat jahrhundertelang auch die überflüssigsten Fragen mit dem Schwert geregelt und zeigt sich jetzt entsetzt, wenn andere Religionen es ihr gleichtun. Dabei bräuchten sie nur zu sagen: Hey, wir haben das geilste Produkt aller Zeiten, etwas, das alle haben wollen: den Frieden! Und wir haben das Monopol auf die Schriften seines ersten Propheten! Vergesst die Typen mit dem Halbmond, die ständig was abschneiden wollen von euren Körpern. Deren Produkt ist nicht halb so gut, weil sie das alte Angstessenseeleauf hineingemixt haben. Kommt zu uns! Wir nehmen euch so, wie Gott euch geschaffen hat und auch sich selber, um uns höchstpersönlich das Menschein vorzuleben.