„Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich einmal wiedersehen würde“ atmete er auf und setzte sich. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen, Maria? Ein Jahr?“
Sie nickte. „Genau ein Jahr, Max Spielmann.“
Dann knallte sie ihm sein Buch um die Ohren, dass es nur so rauschte im Blätterwald.
Er blickte sie traurig an. „Wozu sollte das jetzt gut sein?“ fragte er.
Und sie erzählte ihm folgende Geschichte:
„Stell dir vor, du heißt Maria und dein Ex-Freund hat ein Buch geschrieben, das soeben erschienen ist. Natürlich hast du Interesse an dem Buch, steuerst also zielstrebig in die nächste Buchhandlung, um es dir anzusehen.
Du nimmst das dünne Bändchen, betrachtest es. WIDMUNGEN steht groß auf dem Umschlag, und darunter steht der Name deines früheren Lebensabschnittspartners. Du musst schmunzeln, komisch verwirrt und stolz irgendwie. Ein Name nur für alle anderen, für dich aber: Ein Lächeln, ein Knackarsch, ein Muttermal.
Du drehst das Buch in deinen Händen, riechst daran, liest den Text auf der Rückseite des Umschlags, zögerst das Aufschlagen des Buches noch ein wenig hinaus. Ein wenig aber nur, denn zu groß die Neugierde. Immerhin eine Liebesgeschichte mit dem Titel WIDMUNGEN, könnte schließlich sein, dass …
Du öffnest das Buch, blätterst zweimal um, und tatsächlich, da steht es, in kursiven Lettern: Für Maria.
Kribbeln im Bauch bei dem Wissen, dass in vielen Büchern im ganzen Land dein Name steht, auch wenn kein Mensch weiß, dass du damit gemeint bist. Nach Hause möchtest du jetzt, in die Intimität deiner vier Wände, allein sein mit dem Buch und deinen Erinnerungen.
Zahlst und schlägst den direkten Weg nach Hause ein. Ist das etwa seine Art zu zeigen, dass er dir die Trennung verziehen hat? Dass er dir für die langjährige Beziehung danken will? Dass er dich womöglich immer noch liebt?
Die Telefonzelle kommt gerade recht. Du wählst die Nummer, die jahrelang auch deine eigene Nummer war. Eine junge Frauenstimme meldet sich. „Spielmann Maria“.
Spielmann! Er hat keine Schwester, es muss also seine … Nein, unmöglich. Und du dachtest, …
Legst auf, stürmst aus der Telefonzelle. Stopfst das beschissene Buch in den Mistkübel.“
„Ja, so könnte die Geschichte enden, Max Spielmann“, sagte sie, „aber dann bin ich zurück gegangen und hab das Buch aus dem Mistkübel wieder heraus geholt. Jetzt weißt du, wozu das gut sein sollte. Diente nur meiner Psycho-Hygiene.“
Und dann stand und atmete sie auf und ließ ihn zum zweiten Mal und nun endgültig sitzen.
© Karl Hofbauer 2002