Mechthilde, Wiltrud und Thilo waren Synchronsprecher eines österreichischen Pornovideoringes. Davon wussten aber nur sie selbst und ihr Arbeitgeber. Amtlich war man Reinigungspersonal. Viel hatte man sich nicht zu erzählen, trug man doch die gleiche Alltagslast, wie jeder andere. Das ist so, altert man an. Rein ins Leben und irgendwann mal wieder raus. Man lauschte da lieber der Seufzerei Österreichs. Nur zuhören, gleichmäßiges Kopfnicken, kein Kommentar.
Mechthilde, Thilo und Wiltrud, Nachbarn, kannten die ganzen Bürden des Erwachsenenlebens, des Familiengründens, des Hausbauplanens, des Kreditaufnehmens und des damit verbundenen Zinsenwaldes. Natürlich war da auch das ständige Wettrennen gegen die Wertminderung ihrer Autos und der allzu temporär starken Computer. Da war die Lebenshilfe, die man seinen Kindern schenkte, die Sterbehilfe, die man seinen Eltern lässt. Natürlich war da auch die Maulwurf- und die Nacktschneckenplage im kleinen Garten. Aber auch die kaputten Dosenöffner, Haare im Abfluss, Verstopfungen, Rohrbrüche, der Staub auf dem schönsten Familiengeschirr, Gelsen im Sommer, teures Heizöl im Winter, Hundekacke vor der abblätternden, hölzernen Haustür, Rechnungen, schlechtes Fernsehprogramm.
Wenn man in Österreich älter wird, kommt da kaum noch etwas Neues nach. Es wiederholen sich lediglich die leidigen Erzählungen durch andere, Bekannte, Nachbarn, in der Straßenbahn, im Cafe um die Ecke, selbst in der Toilette des Cafe’s, im Renaissancehof des Rathauses, und in den Zementbunkern der Vorstadt. Aber nichts Neues kommt mehr hinzu.
Den Dreien wurde das nie zuviel. Im Gegenteil, man hörte abends nickend allen zu und schmunzelte leise. Sie machten ihre Erzähler glücklich. Raus mit der Scheiße. Sie bündelten die geliebte, tiefatmige Nörglerei deines und meines Tages, gingen tagsüber ins Studio und stöhnten und ächzten den Gram und den Jammer unserer Städte in ein Mikrophon.
Und wenn man den Synchronisationen genau lauscht, kurz vor einem Orgasmus, dann hört man die Last eines ganzen Landes sich lösen, sich so lange lösen, bis der Nachspann sich über den Pornostar blendet. Dann wird wieder gecastet, ein neues Drehbuch geschrieben, und Mechthilde, Wiltrud und Thilo interpretieren das alte Rein- und Raus- Spiel von neuem.
© Michael Luger