Die kurze Zeit auf der Welt

Das Fest ist vorbei. Schlaftrunken steht sie in der Küche, versucht mit festem, massierendem Griff den wehen Rücken zu beschwichtigen und nicht auf das heftige Pochen in den harten Brüsten zu achten.

Aber nicht einmal die Gläser mit den vor sich hintrocknenden Likörresten kann sie zu Ende abwaschen, da geht es wieder los, sie zuckt wie unter einem Hieb zusammen und ihr Herz tut einen nervösen Sprung. Dabei hat sie den Kleinen erst vor einer Stunde gestillt.

Das Wasser im Becken steigt, aber sie sieht nur die nassen, rasch größer werdenden Flecken auf ihrem Hemd, an denen das durchdringende Geschrei des kleinen Scheusals schuld ist, ihre Brüste fangen hemmungslos zu tropfen an, sobald es plärrt.

Es bilden sich zwei kleine Pfützen zu ihren Füßen, sie sieht es mit ohnmächtiger Wut, riecht den widerlichen Milchdunst, der sie stets umgibt, denkt an die Flut säuerlich stinkender Wäsche, an die rücksichtslos die heißen Brüste knetenden Fäustchen, die unerbittlich mahlenden Säuglingskiefer, die betriebsam saugenden Zunge, die Nachwehen, die über den Unterleib herfallen wie ein reißendes Tier.

Während das Wasser den Beckenrand erreicht, darüber hinwegfließt und sich am Boden mit der wässrigweißen Flüssigkeit vermischt, überkommt sie ein kleinmachendes, den Brustkorb einschnürendes Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber dem eigenen Körper, der sich, wie ihr zum Hohn, jeglicher Kontrolle entzieht und seinen ältesten, niedrigsten Instinkten folgt.

Mittlerweile schwillt die kleine ärgerliche Stimme zum Gebrüll an. Der Ring um ihre Brust schließt sich enger, ihr Atem wird flach, sie watet durch die sich ausbreitende Lache auf den Fliesen, knöpft das nasse, klebrige, süßlich riechende Hemd auf – hilflos sollen sie sein? – zieht es aus, geht pitschend durch den Flur, wobei sie es sorgfältig zu einem handlichen Paket faltet, stößt die freundlich gelbe Tür am Ende auf – nein, sie haben die, an denen das nötige Gesäuge hängt, absolut in ihrer Gewalt – geht zum Korb und schaut kurz das zornrote, mit bebenden Lippen und zugekniffenen Augen schreiende, unkoordiniert mit Armen und Beinen rudernde Geschöpf an, bevor sie ihm das milchgetränkte Stoffpaket mit Bestimmtheit aufs Gesicht presst.

Maria Edelsbrunner 2001

Werbung

Schreib uns etwas!

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s