eine bildergeschichte
erstes bild:
er und sie sitzen auf einer bank. im park. händchenhaltend.
er, an ihrem ohrläppchen knabbernd, murmelt dabei schwüre ewiger liebe.
sie, augenlider auf halbmast, haucht ein widerständiges „aber“:
jetzt, ja jetzt, aber später, in jahren….?, gibt sie zu bedenken.
und läßt sich von ihm küssen.
immer, sagt er.
und: ewig.
er springt auf, reißt eine blüte aus dem tulpenbeet und kniet vor ihr nieder. als beweis.
häuslein bauen, kindlein zeugen, bäumchen pflanzen. – gemeinsam!
hihi, kichert sie geziert, bäumchen pflanzen!
gemeinsam? fragt sie staunend.
und nimmt die tulpe entgegen. zum beweis.
zweites bild:
sie.
sitzt inmitten einer lichten waldlichtung auf einem baumstumpf.
sie strickt an pastellfarbener wolle.
er, oberkörperfrei, blockt neben ihr, holzpflöcke zu einer wohnstätte. aus seinem mund pfeift vielversprechend ein munteres lied. dann: aua! verdammt! so hilf mir doch! sie, erschrocken, springt auf und eilt an seine seite. unter ihrem gewand wölbt sich der bauch.
sie hilft.
er: du sollst dich doch nicht so anstrengen.
sie: lächelt.
er: nur das, das eine hier! nur für euch! er streicht mit den händen über ihren bauch.
sie: lächelt.
er: ich weiß, leicht ist es nicht. aber: gemeinsam! du wirst sehen.
sie: lächelt. tapfer.
drittes bild:
inmitten der lichten waldlichtung steht ein halbes blockhaus.
er: gemeinsam! wir! wir werden, was kommt, schultern!
er lädt ihr den dachbalken aufs haupt.
aus seinen hosentaschen hängen leere hosensäcke.
er deutet auf die hosensäcke: von nichts kommst nichts! die last auf ihr, einstweilen, vorläufig nur, sie müsse das verstehen. für sie allein! für sie müsse er gehen. – und klappt den aktenkoffer zu.
sie: hält die stellung. sie schwitzt. eine haarsträhne hängt ihr ins gesicht.
süß, sagt er. meine stütze, sagt er, nimmt den aktenkoffer und küßt sie zum abschied.
sie: lächelt.
viertes bild:
inmitten der lichten waldlichtung fungiert sie zwischen fundament und dachboden als stützpfeiler: der dachbalken ruht auf ihrem haupt. mit einem arm drückt sie einen säugling an ihre brust.
er, heimgekehrt, stellt den aktenkoffer ab und den säugling ins gitterbett.
für dich, sagt er und überreicht ihr eine tulpe. weißt du noch? gemeinsam?
sie: seufzt.
er: du, du mein süßes, du mein süßes gemeinsam!
sie: lächelt.
fünftes bild:
inmitten der waldlichtung funktioniert sie gut als stützpfeiler. als starker stützpfeiler.
er: bleib so! geil ist das!
er knöpft ihre bluse auf. – geil!
er massiert ihre brüste.
sie: stöhnt.
es wackelt im gebälk. das gebäude gerät ins schwanken.
er, erschrocken: so halt doch still!
sie: stöhnt.
er, unablässig: jah-jaah-jaaah-jaaaaahharrg!
sie: reglos.
er: war es schön für dich?
sie: seufzt.
sechstes bild:
inmitten der waldlichtung: sie und das gemeinsame gebälk. das gemeinsame ist ihr vom haupt auf schultern und buckel gerutscht; und dadurch in schräglage geraten. ein zerzauster anblick.
er: etwas mehr optimismus! gemeinsam! wir schaffen das!
er wirbelt übermütig eine hundeleine als lasso durch die luft und holt das blaue vom himmel: bald. aber dann! eine stütze erster güte erhielte sie. marmor! er habe es doch versprochen. sie erinnere sich? die tulpe? damals? und weiter: einstweilen dies hier. als treuen beistand. und zum trost. – er übergibt ihr leine und hund.
sie, streicht sich über den gewölbten bauch. und seufzt.
routiniert streicht er ihr durchs strähnige haar.
siebentes bild:
inmitten der lichten waldlichtung.
sie. in einer wolke von himmelblau. säugling im arm. kleinkind an der hand. das Gemeinsame geschultert.
er hält den fotoapparat, den finger am drücker – lächeln!, sagt er.
sie ist kaputt. eine art funktionsstörung.
er: lächeln!
sie, atemlos, deutet. sie schreit. gemeinsam! schreit sie, hilfe! keucht sie, gemeinsam!
zu spät. krachend stürzt mit ihr das gemeinsame zu boden.
achtes bild:
am rande der waldlichtung.
sie, mit einer hand den kinderwagen schiebend, mit der anderen hand hund und kind hinter sich her ziehend. hinter ihr: das gemeinsame. – in trümmern.
oben drauf: er, schreiend.
kaputt!, schreit er, du!, schreit er.
du
hast alles
kaputtgemacht!
(c) Ursula Kiesling 2003